Misere beim Provinzclub
Fragwürdiger Sponsor und ein Yakin-Gerücht: Der FC Schaffhausen sorgt für Wirbel
Beim Tabellenletzten der Challenge League herrscht Unruhe, der Präsident denkt an den Verkauf. Was die Recherche einer Lokalzeitung auslösen kann.
Ueli Kägi, Thomas Schifferle
Publiziert heute um 06:00 Uhr
Der FC Schaffhausen ist ein armer Aussenposten des Schweizer Fussballs. Zuletzt war er vor zehn Jahren in der Super League. Seither versucht er sich in der Challenge League zu behaupten. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Seit 2017 spielt er in einem Stadion, das schmuck anzusehen ist, aber in einem Gewerbegebiet steht, dem jegliche Atmosphäre fehlt.
2022 verpassten die Schaffhauser in der Barrage die Rückkehr in die Super League. Jetzt liegen sie am Tabellenende, schon vier Punkte hinter Aufsteiger Baden. Und es ist, wieder einmal, unruhig in ihrem Umfeld. Die lokale «Schaffhauser AZ» hat in süffigem Ton einen Artikel über die Berformance Group AG als neuen Hauptsponsor und Namensgeber des Stadions geschrieben und die Frage aufgeworfen, ob der Club einem Geldgeber mit zwielichtigem Hintergrund aufgesessen sei.
Seit diese Geschichte in die Welt gesetzt worden ist, erlebt ein altes Gerücht Wiederauferstehung: dass Nationaltrainer Murat Yakin der Besitzer des Clubs sei. «Das wüssten alle», heisst es in der Branche hartnäckig.
Darum lohnt es sich, nachzulesen, was Yakin selbst schon ausführlich zum Thema gesagt hat. Und es lohnt sich, bei Berformance und bei Schaffhausens Besitzer Roland Klein nachzufragen, was los ist.
Roland Klein: An Krücken, aber weiter der Chef
Seit September geht Roland Klein an Krücken. Er hat ein erstes künstliches Kniegelenk erhalten, ein zweites wird folgen. Ein Spiel des FC Schaffhausen hat der 62-Jährige seit der Operation im Stadion nicht mehr gesehen. Das Tagesgeschäft hat er abgegeben. «Ich bin aber weiter Präsident und Alleinaktionär», stellt er klar.
100 Prozent der FC Schaffhausen AG gehören ihm, seit er im Frühsommer 2019 das waghalsige Abenteuer startete, einen Fussballclub zu übernehmen – erst noch einen, der nach der 28-jährigen Regentschaft des Lokalfürsten Aniello Fontana «am Boden lag», wie sich Klein erinnert. Dafür investierte er eigenes Geld. Aber er brauchte auch Hilfe, um den Club retten zu können. Und die Hilfe kam von diversen Personen, eine hiess Murat Yakin.
Kurz nach seiner Entlassung bei Sion stieg Yakin im Sommer 2019 auch als Trainer in Schaffhausen ein, «er hilft, wenn er etwas Gutes tun kann», sagt Klein über seinen Weggefährten. Doch gleich noch der heimliche Besitzer? «Nein!», sagt Klein, «Ich kann es nicht mehr als klarstellen, und wenn ich das zwanzigmal gemacht habe, mag ich irgendwann nichts mehr dazu sagen.»
Yakin selbst nahm, kaum zum Nationaltrainer berufen, gegenüber dieser Redaktion Stellung dazu. «Ich höre das immer wieder», antwortete er auf die Frage, ob er der Besitzer des FC Schaffhausen sei. «Wahr ist es trotzdem nicht. Der Eigentümer und Präsident ist Roland Klein. (...) Wir stiegen damals ein, als der Verein nahe vor dem Konkurs stand. Viele Menschen halfen mit, dieses Szenario abzuwenden. Ich kam finanziell entgegen, was meinen Lohn angeht. Ich erhielt Aktien von der Stadion AG, als Entschädigung bei meinem Wechsel zu GC. Aber die waren irgendwann nichts mehr wert. Ich gab dem früheren Präsidenten Aniello Fontana einmal auch ein Darlehen. Vielleicht führte das alles zum Eindruck, ich sei der Besitzer. Aber nochmals: Ich war und bin das definitiv nicht.»
Schaffhausen hatte 2019 Ausgaben von 6 Millionen Franken und «ein enormes Defizit», sagt Klein. Inzwischen liegen sie bei 3,5 bis 4 Millionen. Das ist immer noch viel, wenn man «keinen Götti hat» (Klein), nur wenige Zuschauer, so um die 1000 pro Spiel, und nur eine halbe Million an TV- und Marketing-Geld von der Liga. Die finanziellen Sorgen bleiben gross.
Umso wertvoller sind die 2 Millionen Franken, die Klein 2021 und 2022 durch die Verkäufe von Joaquin Ardaiz, Amir Saipi und Uran Bislimi eingenommen hat. «Davon haben wir gelebt», sagt er. Und jetzt ist er dankbar, dass Berformance seit dieser Saison und mindestens bis 2026 als Sponsor hilft. Mit einem sechsstelligen Betrag. Geschätzt geht es um 400’000, vielleicht sogar 500’000 Franken pro Jahr.
Die Wochenzeitung: Böse Vorahnungen geweckt
«Das System Berformance – Undercover»: So titelt also die «Schaffhauser AZ» Ende September. Der Autor gibt vor, Interesse an einem Investment zu haben, und öffnet so den Blick in eine Welt mit obskur anmutenden Berformance-Verkäufern, abenteuerlich wirkenden Investments und schier unglaublichen Renditeversprechen: Aus 20’000 Euro sollen innert drei Jahren 60’000 Euro werden. Ausserdem winken Provisionen für Investoren, wenn diese weitere Kunden anlocken.
Daneben deckt die Schaffhauser Wochenzeitung personelle Verbindungen auf: Gegen Personen, die sich im Umfeld von Berformance bewegen oder in Führungspositionen bewegt haben, laufen wegen Betrugsverdachts Untersuchungen in den USA. In Deutschland gab es schon Verurteilungen.
Das klingt alarmierend und erinnert an andere Schweizer Clubs, die zwielichtige Geldgeber angelockt haben und irgendwann vor dem Ruin standen: Servette, Xamax oder Wil zum Beispiel.
«Ich war sehr enttäuscht und schockiert, als ich diesen Bericht gelesen habe», berichtet Simon Grether. Er war Fussballer und spielte unter anderem sechs Jahre lang beim FC Luzern, bevor er 2022 seine Karriere als Profi beendete. Nun arbeitet er schon länger auf Provisionsbasis als sogenannter Salespartner bei Berformance, er akquiriert also neue Kunden und neue Vermittler, wie er selbst einer ist. Bald steigt er intern auf: Ab dem 1. Januar 2024 wird der 31-Jährige Chief Sales Officer Switzerland.
Grether kann nachvollziehen, wenn sich Aussenstehende kritisch mit Berformance auseinandersetzen, «für viele klingt es utopisch, was wir machen, weil sie das Geschäft nicht kennen – mir ist es zu Beginn auch nicht anders gegangen». Im Text der «Schaffhauser AZ» finde man allerdings «etliche Falschbehauptungen», übertriebene Darstellungen und «falsche» oder «schlechte Recherchen», so Grether.
Der Berformance-Chef: «Das Modell ist eindeutig»
Grether sagt über die Geschäftsidee: «Berformance ist Vertriebsdienstleister für digitale Zukunftstechnologien.» Aber was bedeutet das nun? Wie funktioniert das Geschäftsmodell, das angeblich sagenhaft gute Renditen für private Investoren ermöglicht?
«An dieser Stelle muss einmal klargestellt werden, dass Berformance keine Anleger hat», schreibt dazu Christian Lux. Die Firma sei eine «reine Vertriebsgesellschaft» und vermittle «Zukunftstechnologien» von «Produktpartnern».
Lux hat als CEO von Berformance den Weg ins Schweizer Sportsponsoring gesucht und den FC Schaffhausen gefunden. Er beantwortet Fragen dieser Redaktion nur schriftlich, offenbar fehlt ihm während einer Geschäftsreise nach Dubai die Zeit für ein Telefonat.
Bei den «Zukunftstechnologien» soll es vor allem um «Cloudstorage und HPC-Rechenleistung» gehen. Heisst also: um das Speichern von Daten in Clouds sowie um Hochleistungscomputer, die unter anderem fürs Schürfen von Kryptowährungen eingesetzt werden können.
Gemäss Lux fliesst das durch die Berformance-Verkäufer gesammelte Geld direkt an die Produktpartner, Berformance erhält Vermittlungsprovisionen. «Das Geschäftsmodell von Berformance ist sehr eindeutig, sie agiert lediglich als Vertriebs- und Marketingunternehmen für andere Unternehmen.»
Die Rendite: Ist doch alles ganz einfach?
Lux versucht anhand eines Rechenmodells Klarheit zu schaffen, wie Berformance-Kunden mit ihrem Geld schöne Erträge erreichen sollen. Seine Erklärungen lassen sich vereinfacht so zusammenfassen: Die Kunden funktionieren gemäss Lux wie Zwischenhändler. Sie kaufen zum Beispiel Speicherplatz in einer Cloud für 50 Cent und verkaufen diesen Speicherplatz wiederum dank Hilfe von Berformance für einen Euro weiter.
Eine Klarstellung ist Lux dabei wichtig: «Berformance verspricht keine Renditen. Vielmehr ist es so, dass über uns jeder selbst Unternehmer werden und durch den Erwerb von Technologien direkt partizipieren kann.» Sehr einfach Geld verdienen in einer Welt voller komplexer Begriffe und Technologien – es ist diese Kombination, die Zweifel an der Seriosität weckt. Am 24. November will sich Lux an einer Pressekonferenz in Schaffhausen erklären.
Roland Klein dagegen schwärmt von Lux nur in den höchsten Tönen: «Er hat bisher alles eingehalten, was er versprochen hat.»
Drei, vielleicht vier Jahre wollte sich Klein in Schaffhausen engagieren. Jetzt ist er im fünften Jahr angekommen. Seine Frau wäre die Erste, die sich freuen würde, wenn er den Club weitergeben könnte. «Wenn ein Angebot Hand und Fuss hat, sage ich Ja zu einem Verkauf», erklärt er. An welchen Betrag er dabei denkt? Alles offen. Das Kapital und Potenzial für einen Käufer ist das Stadion. 40 Millionen Franken betrugen die Kosten für den Fussball-relevanten Teil des Baus in Herblingen.
Der aktuelle Tabellenplatz ist sicher nicht verkaufsfördernd. Selbst Klein sagt: «Wer will schon einen Club in der Promotion League übernehmen?«