Was.für.eine.Saison.
Aufwindfahne hat geschrieben: ↑11. Feb 2021, 15:44
Wie erwartet ein paar Anfängerfehler gemacht, aber insgesamt in meinen Augen sehr, sehr vielversprechend. Eventuell bin ich ja noch der einzige, der auf solches Zeugs aufspringt, aber wenn ein antretender FCL-Präsident seine Rede so beginnt, dann krieg ich spontan feuchte Augen, dagegen kann ich mich einfach nicht wehren. Und ein paar Minuten später dossiersicher die Sache mit dem Kredit präzisiert und selbstverständlich zu verstehen gegeben, dass man nicht nebenbei noch Geschäfte macht (herrlicher Kontrast zum abtretenden Präsidenten

), sowas macht mir Eindruck.
Dem neuen VR, Präsidium und Team alles Gute und hoffentlich sind die während der PK eingegangenen E-Mails tatsächlich so etwas wie erste Vorzeichen auf bessere Zeiten und breite Unterstützung. Dass der Fussball mehr an Bedeutung gewinnen wird, ist für mich mit dieser Besetzung garantiert und das ist gut so. Next steps: Strukturen vereinfachen (Holding, I-AG, seag, etc...) und die Fans einbinden, aber bitte richtig.
15 unfassbar bewegende Monate sind seit der bemerkenswerten PK vom 11. Februar 2021 vergangen. Von Himmel (Cupsieg) bis Hölle (...) war einfach alles drin. Vor allem: Viel Fussball und noch mehr Emotionen. Das ist per se schon mal richtig geil.
Der kompromisslose Support der Fans – selbst bei langanhaltenden Negativphasen - ist selbst bei Aussenstehenden nicht unbemerkt geblieben. Das war nicht nur hier im Forum häufig zu lesen, sondern auch sonst fleissig wahrzunehmen. Pasci Schürpf nannte das «FCL-Familie», ich gebe zu, ich mag diesen Begriff sehr - dem Kitschpotenzial zum Trotz. Diese Saison geht in die Geschichte ein als diejenige, in der die Kurve so viel positive Energie, so viel Leidenschaft und bedingungslosen Rückhalt für die Mannschaft reingebracht hat, wie es nur möglich war für den FC Luzern. Das wird auf Ewig in Erinnerung bleiben. Ich bin jetzt noch beeindruckt, wieviel Disziplin, Geduld, Hartnäckigkeit, Glauben, Fleiss und maximale Motivation der harte Kern und alle drumherum Woche für Woche mitgebracht haben und feiere es unendlich hart, dass sich das für alle Beteiligten am Ende absolut ausgezahlt hat. Das alles war so viel mehr Ultra als irgendein voll krasser, austauschbarer Platzsturm es je sein könnte. Das esch Lozärn!
Ich hatte immer furchtbaren Respekt, nein, eher Angst davor, dass der Cupsieg auch vieles wieder kaputt machen würde, dass die Erwartungen im Umfeld sofort in unerreichbare Höhen geschraubt würden. Dass die Fans bei Misserfolgen sofort nervös werden, zu pfeifen beginnen. Im Extremfall Chaos stiften würden. Dass von aussen gerne Unruhe geschürt wird, besonders medial. Dass die Führung Uneinigkeit demonstrieren könnte. Dass die Mannschaft Risse bekommt, die man nicht mehr reparieren kann. Mir sind kaum Beispiele geläufig, bei denen mit dem ersten Titelgewinn einer neuen Generation die Geduld im Umfeld nicht rascher schwindet als ohne.
Bei uns ist nach meiner Wahrnehmung exakt das Gegenteil passiert. Die «FCL-Familie» ist unverkennbar noch näher zusammengerückt. Und sie ist gewachsen. Die Zuschauerzahlen steigen endlich stetig, die Stimmung leidet nicht, der FCL löst auch bei den Kids und ihren Eltern wieder eine gewisse «Coolness» aus. Ist es der Zeitgeist, ist es Zufall, ist es Glück, ist es vielleicht tatsächlich, weil Luzern anders tickt? Ich weiss es nicht genau, es ist spekulativ, zu argumentieren, woran das vor allem gelegen hat. Aber der Gedanke an den einen oder anderen möglichen Grund zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.
Mannschaft: Ich bilde mir ein, dass die Spieler in dieser Saison oft froh waren, bei Luzern zu kicken. Nicht, weil die Summe im Vertrag hier höher ist als anderswo. Nicht, weil es karrieremässig ein cooles Sprungbrett ist. Nicht, weil wir eine Erfolgsgarantie geben könnten. Sondern weil sie spürten, dass wir ihren Kampfgeist wertschätzen. Dass wir sie auch im Abstiegskampf nicht davonjagen, wenn sie verlieren. Voraussetzung: Der Einsatz, der Wille muss einfach stimmen. Das Resultat, die Belohnung kommt dann schon. Vielleicht nicht heute, nicht diese Woche, vielleicht auch nicht nächste Woche. Aber «eeeeergendwenn». Es hat auch keiner der Mannschaft den Eindruck hinterlassen, sich wegen des ausschliesslich positiven Supports zurückzulehnen und zu denken «mer passiert ja nüd, wemmer abstieged». Ich bilde mir ein, dass sie diese Harmonie, diesen Rückhalt tatsächlich nicht nur schätzten, sondern als moralische Verpflichtung sahen, für Luzern zu kämpfen, möglicherweise den Platz 8 noch zu erreichen und sonst halt in der Barrage den Sieg zu erzwingen.
Führung: «Die Nähe zur Basis», wie oft habe ich das gehört in diesen Tagen. Ich darf festhalten, bislang sind das alles andere als die gewohnten Plattitüden. Nicht, weil z.B. Stefan Wolf dies gebetsmühlenartig sagt oder weil es irgendwo geschrieben steht. Man spürts – und zwar regelmässig. Da tigert der Präsident in den Minuten zwischen dem Pre-Game-TV-Interview und dem Anpfiff nochmals hinter der Fankurve durch. Er trägt ein blaues T-Shirt, kein Hemd mit Krawatte. Er steht mal auswärts im Block und schlachtet es in den Tagen danach nicht medial aus, sondern «die, die es wissen müssen, wissens». Medial geht man trotzdem punktuell voran, aber mit Themen, die die Basis ebenso beschäftigt wie der nächste Spieltag. Der Modus. Die positive Wahrnehmung der Fankurve. Der FCL hat eine Meinung, er prescht vor, er versucht, weitere Stakeholder für ihre Ideen zu begeistern. Er gibt nicht sofort auf, er kämpft weiter. Immer im Interesse des Fussballs und um die FCL-Familie zu stärken.
Sportchef: Man darf Meyer selbstverständlich für die Vorrunde kritisieren, sollte dabei aber auch fairerweise in die Waagschale werfen, dass er – zusammen mit Wolf – im Winter mehrere sehr unpopuläre Entscheide fällen musste und im Nachhinein eindeutig richtig gehandelt hat. Die Rechnung ist gerade nochmal aufgegangen – uff. Die Selbstkritik bleibt nicht aus, Fehler werden zugegeben. Die Verantwortung, die Schuld wird nicht abgeschoben, sondern auf sich genommen. Man ist gewillt, daraus zu lernen.
Demut, Bescheidenheit, all das ist immer wieder zu hören und dies in den Minuten vor und nach dem existenziellen Kampf um den Ligaerhalt. In den Stunden des Sieges, der Erleichterung geht das nicht vergessen. «Uf em Bode bliibe» - das ist wichtiger denn je. Der Umbruch ist nicht aufzuhalten, es wird vermutlich mindestens eine, zwei oder mehr Saisons Geduld brauchen, vielleicht gibt’s ausnahmsweise kein geiles Cupjahr, vielleicht wird die Durststrecke länger, bis wieder Europokal-Feeling angesagt ist.
What’s next? Auch ausserhalb des anstehenden sportlichen Umbruchs sind immer noch etliche Pendenzen nicht erledigt. Es ist noch längst nicht alles so, wie es sein müsste. Die aktuellsten Anekdoten: ALLI IN BLAU, aber das Team spielt in Weiss und der Fanshop hat bei Sommertemperaturen fast nur noch blaue Winterpullis im Angebot. Die Social Media-Abteilung sorgt standesgemäss für regelmässige Lacher usw - alles schon gehabt. Aber inzwischen sind wir wieder in dem Stadium angelangt, in dem wir diese Dinge eher als "sympathisch, der Wille zählt, der Einsatz stimmt" abtun und froh sind, dass wir nicht der durchgestylte, perfekte Club sind. Trotzdem: Da ist noch viel Luft nach oben.
Die Nähe zur Basis, der Dialog, der steht – darauf lässt sich definitiv aufbauen. Der Fussball steht wieder vermehrt im Vordergrund. Das ist gut – und das haben wir den jetzigen «Köpfen» des Clubs zu verdanken. Aber eins ist sicher: All dies fällt wieder zurück, im schlimmsten Fall auf Level Null, wenn diese Köpfe ausgetauscht werden. Und das wird früher oder später wieder der Fall sein. Darum ist es wichtig, die jetzige romantische Phase nicht einfach nur zu geniessen, sondern die weiterhin offenen Punkte abzuarbeiten. Und zwar personenunabhängig – um den «FCL FÖR ALLI» nachhaltig in die Realität zu überführen. Dazu gehört, wie letztes Jahr erwähnt (siehe oben, Posting vom Februar 2021): Vereinfachung der Strukturen, die konkrete, institutionalisierte Einbindung der Fans in die Organisation, eine für alle klar verständliche Strategie. Das Paradies muss noch ein wenig warten…
«eeeeeergendwenn» … Auf jetzt!