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von tangojoe » 30. Jul 2023, 12:40
Sonntagszeitung, 30.Juli 2023 / Florian Raz.
Der Fall Ardon Jashari: Verlierer, Verlierer, Verlierer
Der FC Luzern verweigert im Transfertheater seiner Nachwuchshoffnung einen Rekordtransfer nach Basel. Das ist Beweis für gesteigerte Ambitionen und zugleich ein Spiel mit hohem Risiko, schreibt Florian Raz.
Das Leben von Ardon Jashari nimmt bei einem Geschäftstermin in Egerkingen eine für alle Seiten überraschende Abzweigung. Vertreter des FC Basel treffen eine Delegation des FC Luzern. Nach kurzem Gespräch treten beide Seiten reichlich irritiert die Rückfahrt an.
Die Basler sind überrascht. Offenbar passt es nicht in ihr Weltbild, dass ein Club wie Luzern die Chuzpe hat, sich ein Transferangebot in Schweizer Rekordhöhe nicht einmal anzuhören. Im Raum steht die Ablösesumme von 5 Millionen Franken. Nie ist für einen Wechsel innerhalb der Super League so viel aufgerufen worden.
Die Luzerner ihrerseits fahren pikiert zurück, weil sich der FCB schon vor dem Treffen hinter ihrem Rücken mit Jashari über einen Wechsel geeinigt hat. Obwohl der 20-Jährige einen Vertrag mit dem FCL hat, der noch bis Juni 2026 läuft. Dass der Auftritt der Basler Delegation als nur bedingt wertschätzend empfunden wird, hilft auch nicht.
Kurz darauf macht die «Luzerner Zeitung» das Interesse des FCB an Jashari öffentlich. Das ist am 14. Juli. Seither entspinnt sich vor den Augen der interessierten Öffentlichkeit ein Transfertheater, in dem es bislang nur Verlierer gibt.
Verloren hat Jashari. Ihm ist nicht nur der Wechsel nach Basel untersagt worden. Er wurde auch so schlecht beraten, dass er den eigenen Club öffentlich in einem Interview unter Druck gesetzt hat. Titel: «Ich fordere, dass der FCL mit Basel spricht.» Ein Versuch, der nach hinten losgegangen ist. Jashari ist seither das Amt des Captains los - und vorerst wohl auch die Zuneigung der Fans.
Verloren hat der FC Basel, der anscheinend felsenfest davon überzeugt war, dass der Deal klappen würde, und der jetzt mit einer unfertigen Mannschaft und Niederlagen in Liga und Europacup gestartet ist.
Verloren hat schliesslich auch der FC Luzern, der die ersten Matches ohne einen seiner besten Mittelfeldspieler bestritten hat. Und dem junge Talente in künftigen Vertragsverhandlungen mit einer gewissen Skepsis begegnen könnten.
Denn das ist eine der vielen Fragen, die der Streit um Ardon Jashari aufwirft: Wofür steht eigentlich ein Vertrag im Profifussball? Und welche Erwartungen verknüpfen die beiden Seiten mit der Unterschrift?
Im idealen Fall sind sich Spieler und Club bei der Unterschrift einig über das Ziel des neuen Vertrags. Will der Club den Spieler lange Zeit an sich binden? Oder soll der Kontrakt vor allem die Ablösesumme bei einem bald erwarteten Wechsel in die Höhe treiben? Die Frage im zweiten Fall: Wohin darf die Reise gehen - und zu welchem Preis?
Im Fall von Ardon Jashari muss es in diesen Punkten bei der Vertragsverlängerung vor einem Jahr zu fundamentalen Missverständnissen gekommen sein. Anders ist der aktuelle Konflikt nicht zu verstehen.
Jashari selbst hat der «Luzerner Zeitung» gesagt: «Bei der Vertragsunterzeichnung war alles klar. Die FCL-Führung versicherte mir, mich zu unterstützen, sollte ich einmal wechseln wollen.»
Die sportliche Leitung des FCL unter Sportchef Remo Meyer aber versteht heute unter einem Wechsel nur den Gang ins Ausland und untersagt einen Transfer innerhalb der Schweizer Liga kategorisch. Trainer Mario Frick stellt am Freitag noch einmal fest: «Wir wollen einfach nicht einen unserer besten Spieler an einen nationalen Konkurrenten abgeben.»
Das mag eine konsequente Haltung sein für einen Club, der sich auf dem Weg nach oben in der Nahrungskette wähnt. Aber es ist auch eine riskante Wette auf die Zukunft, die der FCL damit eingeht.
Im besten Fall spielt Jashari bald wieder für die Luzerner. Und das so gut, dass er die Tür zu einem Auslandtransfer doch noch aufstösst. Es wäre das Zeichen an junge Talente, dass der FCL nicht nur ein Zwischenschritt innerhalb der Super League sein kann. Sondern ein Schaufenster, in dem man sich auch für eine grosse Liga interessant machen kann.
Luzerns Rekordtransfer heisst immer noch Ruben Vargas, der 2019 für 4 Millionen Euro nach Augsburg gegangen ist. Die Basler haben allein diesen Sommer drei Spieler für geschätzte 36 Millionen Euro nach England und Frankreich gebracht.
Jashari liegt darum nicht falsch, wenn er sagt: «Der FCB ist Meister in der Vorbereitung von internationalen Karrieren.» Das Basler Standing auf dem europäischen Transfermarkt müssen sich die Luzerner erst erarbeiten. Läuft es für sie gut, gelingt ihnen das ausgerechnet mit Jashari.
Es kann aber auch ganz anders kommen. Was, wenn es nicht gelingt, das zerbrochene Vertrauensverhältnis zwischen der Familie Jashari und Sportchef Meyer zu kitten? Was, wenn Stolz über Vernunft gewinnt und der 20-Jährige nicht jene Reue zeigt, die sich Trainer Frick wünscht? Und was, wenn die Fans dem Jungen aus dem eigenen Nachwuchs die Abwanderungsgelüste nicht verzeihen?
Dann bleibt als Ausweg wohl nur noch die Flucht ins Ausland. Und das in einer Situation, die sich zumindest nicht preissteigernd auswirken dürfte.
Auch darum werden die Aktionäre des FC Luzern sehr genau beobachten, welches Ende die Causa Jashari nimmt. Wie praktisch jeder andere Schweizer Club kämpft auch der FCL mit einem strukturellen Defizit. Vor zweieinhalb Jahren hat das Aktionariat 6,6 Millionen an frischem Kapital eingeschossen. Geld, das bereits wieder weg ist.
Die aktuelle Lizenz hat Luzern nur erhalten, weil Aktionär Josef Bieri Anfang Jahr mitten in einem mit allen Mitteln ausgefochtenen Machtkampf mit Bernhard Alpstaeg eine Defizitgarantie über 5 Millionen Franken gesprochen hat. Exakt die Summe also, die der Wechsel von Jashari nach Basel in die Kassen gebracht hätte.