So, hier ein kurzer Abriss meiner Eindrücke von gestern:
Etwas vorneweg: Es darf erwartet werden, dass gerade und vor allem ein Vereinspräsident sich der Fan-Basis stellt, sich genügend Zeit nimmt dafür (von 19.30 bis 23.15 Uhr abzüglich Pause ist meines Wissens Klartext-Rekord) und sich die Fragen, Anliegen, Anregungen und kritischen Worte anhört. Diese Erwartung hat Studhalter erfüllt. Trotzdem zolle ich ihm dafür Respekt, denn zeitenweise wurde (berechtigterweise) echt scharf geschossen aus dem Publikum, und er als oberster und alleine anwesender Vereinsvertreter hat sich alles bis zum Schluss angehört, auch wenn gewisse Dinge nicht ihm direkt angelastet werden können. Aber schlussendlich trägt er halt die Verantwortung dafür.
Und noch etwas Zweites vorneweg: So viel, wie ich mir gestern während des Anlasses, auf dem anschliessenden Heimweg und noch im Bett darüber Gedanken gemacht habe, kann ich hier bei Weitem nicht aufschreiben (Jossen ist mit seinem Entwurf bestimmt schon über 100 Seiten hinaus), es wurde so viel gesagt und ich hab mir ziemlich oft an den Kopf greifen müssen. Trotzdem versuch ich hier kurz, meine Gedanken zusammenzufassen.
In der ersten Hälfte ging es vor allem um die aktuelle Situation mit dem Schwerpunkt auf den Akteuren Weiler und Meyer. Darüber hat er relativ bereitwillig und, nach meinem Empfinden, auch so transparent wie möglich Auskunft gegeben. Es bestätigte sich, dass er ein guter Redner ist, und er passt seine Worte geschickt dem Gegenüber an, um ihm nicht auf die Füsse zu treten. Seine diplomatischen Rolle, in der er sich selber sieht, hat er recht gut gespielt im ersten Teil. Gemäss eigener Aussage gehts ihm primär ums Menschliche, er will beim FCL die Leute zusammenbringen und erreichen, dass alle gemeinsam in dieselbe Richtung gehen. An sich ist das auch ein durchaus legitimes Ziel, denn ohne das wirds in Luzern echt schwer. Vom Fussballerischen hat er, ebenfalls gemäss eigener Aussage, keine Ahnung. Studhalter ist ein Unternehmer und führt den FCL wie ein solches. Das ist die Dimension, die für ihn zählt. Jegliche seiner Argumente, egal bezüglich welcher Thematik, sind immer finanzieller Natur, solange man ihn nicht explizit auf andere Aspekte anspricht. Ein Unternehmer durch und durch halt. Ich glaube, dass er diesbezüglich durchaus gute Fähigkeiten besitzt und seine Funktion gut ausübt. Aber genau da merkte man immer wieder, dass bei ihm das fehlt, was der Rest im Saal für den FCL hat: Herzblut. Auch wenn er davon gerne redet, nehm ich ihm das definitiv nicht (mehr) ab. Es hört sich halt einfach gut an, gerade beim Zone-Publikum. Das ist Teil der Kundenbindung und macht sein Unternehmen sympathisch. Marketing halt. Auch die ganzen Werte rund um die Vision 2021, deren Entstehung er für sich und Stäger beansprucht, sind einfach Mittel zum Zweck, sein Unternehmen bei der Kundschaft gut zu positionieren. Nur leider vertritt er diese Werte nicht selber, weil das ohne Herzblut und mit seinen eigenen Zielen nicht funktioniert. Kälin attestierte er zwar einen gewissen Einsatz für diese Vision, mehr aber nicht. Allgemein hat er jene immer nur beiläufig erwähnt und als Makulatur abgetan.
Der zweite Teil hatte dann mehr Fleisch am Knochen, wohl auch, weil das Publikum und vor allem Studhalter selber dank dem Bier etwas die Hemmungen abzulegen begannen. Gerade bei ihm fiel zunehmend die diplomatische Hülle und der wahre Mensch dahinter schimmerte durch. Es wurde sehr viel gesagt, sehr viel Aufschlussreiches, was wohl für einige im Saal neu zu hören war. (Mir ist bei Weitem nicht mehr alles präsent, aber vielleicht springt da noch der ein oder andere Gast in die Bresche.) Einmal bestätigte er selbst auf Nachfrage, dass aufgrund der Machtverhältnisse im FCL der Präsidentenposten im Prinzip überflüssig sei, weil er nicht frei agieren kann und nicht ausreichend Kompetenzen hat. Das heisst im Klartext: Die Investoren, namentlich Alpstaeg mit seinen über 50 Prozent der Aktien (die "freien" 25 Prozent hat offenbar Alpstaeg gekauft;
https://www.luzernerzeitung.ch/sport/we ... ld.1075696), bestimmen, was laufen, und lassen das über Studhalter ausführen. Obwohl er sich nicht als Alpstaegs Marionette sieht, ist er leider nichts anderes. Schlussendlich muss zu jeder sportliche Entscheidung eines gewissen Ausmasses, was eigentlich Meyers und nur Meyers Kompetenz ist (gemäss seiner Aussage!), Alpstaeg seinen Senf und eben das Okay geben. Die klare Trennung von sportlichem und finanziellem Aufgabengebiet wird zwar gegen aussen vertreten, ist im Grunde genommen aber eine Farce. Aufgrund besagter Machtverhältnisse wird er in meinen Augen nie ein Präsident sein, der diese Bezeichnung auch verdient, denn er steht im Zweifel nicht für die Werte des Vereins ein, sondern für das Portmonee und Ansehen Alpstaegs, wenn man seine Worte und Handlungen konsequent zu Ende denkt. Und genau in dessen Interesse handelt er auch (oder handelt eben nicht).
Irgendwann gings halt doch noch ums Sportliche, bei dem er sich auf die Äste rausliess. Beispielsweise jammerte er darüber, dass man Schlüsselfiguren als FCL oft ziehen lassen muss (Seoane, Omlin). Und er wirkte dabei so, als stünde das nicht in seiner Macht, die Leute für den FCL zu begeistern oder mal hinzustehen und zu sagen, nein, wir reissen jetzt etwas gemeinsam. Aber die Investoren stellen halt kein zusätzliches Geld bereit, so ists halt. Dieses Muster zeigte sich auch bei der Diskussion um die fanunfreundlichen Anspielzeiten, bei Sicherheitsfragen rund um Cup-Spiele, um Vorschriften der Stadt bei der Stadioninfrastruktur, bei überrissenen UEFA-Auflagen oder beim VAR. Gerade diesbezüglich war schön zu erkennen, wie er tickt: Nach der GV im November begründete er seine Enthaltung bei der VAR-Abstimmung noch damit, dass man doch seine Kameraden im Liga-Komitee (der Vereinspräsidenten) nicht im Stich lassen dürfe, wie es der unsägliche Thun-Präsident Markus Lüthi tat: Zuerst bettelt er um Geld, die Kameraden springen ein, und dann widersetzt er sich dem VAR und vertritt noch vor der Meinung seiner Kameraden seinen Verein mit seiner Nein-Stimme. Gestern Abend hingegen beklagte er sich, dass man im Komitee nichts erreichen kann, weil jeder für sich schaue. Der FCL und er sind zwar unzufrieden, aber machen kann man halt nichts. Jammern, aber sich nicht wehren. Man könnte ja noch jemanden vor den Kopf stossen, auf den man später mal angewiesen ist, wenn man seine eigenen Anliegen konsequent vertritt. Es war deutlich herauszuspüren, dass es ihm darum geht, niemandem auf die Füsse zu treten, allen voran nicht den Investoren. Denn wenn er ein Präsident mit Eiern wäre, wäre er ziemlich schnell weg vom Fenster, wie es bei Marcel Kälin der Fall war. Das führte er auf Nachfrage so aus. Und das könne ja nicht das Ziel sein, denn ihm ginge es ja um den FCL. Aber so sind halt diese hundertprozentigen Querdenker.
Mit fortschreitender Uhrzeit wurde dann sein Mundwerk auch etwas lockerer, und es entglitten ihm einige wohl lustig gemeinten Äusserungen gegenüber der (aktiven) Fans, die meinem Eindruck nach doch auch etwas Wahres an sich hatten. Ich will diese hier nicht aufführen, schliesslich habens die gehört, die vor Ort waren. Und er widersprach sich im Laufe des Abends etliche Male, was auch damit zu tun gehabt haben dürfte, dass er sich glücklicherweise zunehmend vom Diplomaten in den echten Philipp Studhalter verwandelte. Und so liess er eben ab und zu tiefer blicken, als es dem Diplomaten lieb gewesen wäre. Um einige Widersprüche zu nennen (nicht abschliessend), seien folgende Punkte angebracht (keine wortwörtlichen Zitate):
- Ich verstehe nichts von Fussball. / Der und dieser Spieler hat da und dort seine Stärken und Schwächen.
- Ich lese doch alle diese Mails und Meldungen in den sozialen Medien nicht, das ist schlicht zu viel. / Ich bin froh um eure Rückmeldungen, werdet aktiv in den Foren und platziert eure Anliegen!
- Fäbu Lustenberger wurde nicht kontaktiert bezüglich einer Rückkehr, das hätte eh nichts gebracht. / Sicher haben wir mit Lustenberger geredet!
Mein persönliches Fazit:
Alles in allem hat sich an diesem aufschlussreichen Abend für mich bestätigt, was ich seit der letzten GV befürchtet hatte, als ich ihn das erste Mal (für fünf Minuten) bei eigener Anwesenheit gehört habe: Er ist ein Präsident, der ausschliesslich finanziell argumentiert und ein Unternehmen führt. Er wird gesteuert von Alpstaeg, und das wirkt sich auf den ganzen Klub aus. Herzblut für den FCL hat er leider keines. Und eine starke Persönlichkeit, die in seinem Amt ebendies hätte und haben müsste, wird es nicht geben, solange sich Louis XV (nein, das ist kein Vertipper) in der hemdsärmligen Innerschweizer Prominenz in der Sonne suhlt und ab und zu ein bisschen Kohle einstreichen will. Es wird sich also nichts Grundlegendes beim FCL ändern, solange die finanzstarken Personen dieselben bleiben. Denn in deren Alter dürfte man wohl vergeblich auf eine Kursänderung hoffen. Der Fisch stinkt vom Kopf her, und das ist für mich nichts Neues.
Ah und noch zu einer Aussage Jossens:
Jossen hat geschrieben:Die Funktion des Präsidenten unterschätzt man gewaltig.
Bei uns ist momentan genau das Gegenteil der Fall aufgrund der Machtverhältnisse. Der Präsident kann gar kein richtiger Bilderbuch-Präsident sein, er führt lediglich das aus, was den Geldgebern genehm ist. Sonst wird er ausgetauscht. Er vertritt nicht von Personen losgelöste Werte und damit einen Verein, sondern eben Personen und deren Interessen. Dafür wurde er von Alpstaeg installiert, das ist kein Zufall. Er selber bestätigte, dass ihm grösstenteils die Hände gebunden sind. Und deshalb
überschatzt man seine Funktion bei uns gewaltig.
Sorry für das Wirrwarr in meinen Ausführungen, aber mehr Zeit, um das Ganze zu ordnen, hab ich gerade nicht... Bin froh um Ergänzungen und Eindrücke anderer Gäste.
PS: Bitte nächstes Mal Klartext-Bingo machen. Würde mich dazu committen!
PPS: War ein schwerer Job für den Moderator, den er aber mit Bravour gelöst hat. Er lieferte immer wieder pointiert die richtigen Eingaben mit der nötigen Portion an Hintergrundinfos, sodass nur wenig Raum zum Ausweichen blieb. Danke dafür!