heutiges interview in der nzz mit dem emmentaler bauunternehmer marazzi zum wankdorf bzw. "stade de suisse". interessant vor allem die passage über yb, gewisse paralellen sind nicht von der hand zu weisen. nur ist bei uns leider ein ähnliches projekt absolut illusorisch. zudem wer glaubt denn daran, dass ein umbau der allmend unter der aktuellen führung (pfister und das ganze gegeneinander arbeitende umfeld) realistisch ist..
«Begegnungsstätte zählt mehr»
Der Bauunternehmer Bruno Marazzi über die Philosophie des Stade de Suisse
Vier Jahre nach dem St.-Jakob-Park in Basel wird in Bern am letzten Juli-Wochenende und am Nationalfeiertag das neue Stade de Suisse feierlich eingeweiht. Bruno Marazzi entwickelte und baute mit seinem Team den neuen Wankdorf-Komplex. Im Interview mit Jürg Vogel und Rolf Wesbonk äussert sich der innovative Bauunternehmer über die Philosophie dieses neuen Generationenwerks und andere Pläne.
Herr Marazzi, nach fast zwei Dezennien haben Sie das Stade de Suisse als Ihr Lebenswerk bezeichnet und in Anzeigen Ihrer Generalunternehmung als «Wunder von Bern» apostrophiert. Welches waren politisch die kniffligen Momente auf dieser langen Wegstrecke?
Bruno Marazzi: Es gab viele Hürden in 18 Jahren. Im Vordergrund stand die Idee, ein Stadion ohne Steuermittel zu bauen. 1986 war ja eine Vorlage in Stadt und Kanton gescheitert, im Zusammenhang mit einem Zentrum für Lehrlingsturnen das Wankdorf zu modernisieren. Man musste manchmal zum Gletscher-Pickel greifen, um auf den Berg zu kommen. Dies ist uns immer wieder gelungen. Es verhält sich wie beim Radstar Lance Armstrong: Wenn sie ihn fragen, was seine grössten Schwierigkeiten gewesen seien, um zum siebenten Mal die Tour de France zu gewinnen, dann dürfte der Amerikaner antworten, er habe die ganze Zeit kämpfen und Widerstände parieren müssen.
Ein Stadion gehört ins Zentrum der Stadt
Die Stadt Bern wird seit Jahren von einer rot- grünen Exekutive regiert, die grössere Bauvorhaben oft kritisch beurteilt oder behandelt.
Als Unternehmer gehen wir unabhängig von Partei und Couleur auf die Leute zu und suchen den Austausch der Meinungen, legen die besten Argumente auf den Tisch. Die Medien verstärken heute eher Negativpunkte, als dass sie Positives herausheben. Jeder hat zum Beispiel nicht gern Verkehrslärm, aber fast jeder fährt Auto. Wir versuchten von Beginn weg, die Möglichkeiten auszuloten, um ein Werk für alle Teile der Bevölkerung zu schaffen. Die Stadt Bern baute schliesslich den S-Bahn-Bahnhof Wankdorf. Die Zusammenarbeit funktionierte. Sehr kulant verhielt sich die Burgergemeinde Bern, auf deren Terrain der Komplex im Baurecht steht. Und der Dank gilt unseren Investoren, dem Sport-Toto des Kantons Bern und dem nationalen Nasak-Fonds.
Planer oder Umweltschützer führen immer wieder Dispute über den Standort von Stadien. Wo gehören die hin, an den Waldrand oder nicht?
Tatsächlich gab es Pläne, das Wankdorf irgendwo an den Rand zu stellen. Und es war zu lesen, der Schlittschuhklub solle bald in Ostermundigen spielen. Da sage ich offen, ich bin dagegen. Ein Stadion gehört, wie das Kolosseum in Rom, als Erlebnis-Faktor ins Zentrum einer Stadt. Es soll zu Fuss von allen Seiten leicht erreichbar sein. Ich stemme mich gegen Modelle wie in Gelsenkirchen oder München, wo längere Anfahrten auf der Autobahn nötig sind. In Basel zeigte sich, dass die 750 Parkplätze nicht immer besetzt sind. Die Leute kommen zu Fuss, sie benützen öffentliche Verkehrsmittel, das wollen wir in Bern auch erreichen. Der grösste Erfolg besteht doch darin, dass im Nordquartier, wo der Komplex steht, 65 Prozent der Stimmberechtigten ein Ja einlegten, in der ganzen Stadt 72 Prozent, was für Bern eine überaus deutliche Mehrheit bedeutet. Das neue Stadion eröffnet eben positive Perspektiven, der Lärm etwa bleibt im Stadion-Kessel. Das offen und flacher gebaute alte Wankdorf war für die Nachbarschaft viel lärmiger gewesen.
Nostalgiker bedauern, dass der stolze Name Wankdorf zugunsten des Titels «Stade de Suisse» ins zweite Glied gerückt ist.
Klar, als Berner ist einem der Name Wankdorf vertraut. Man darf dies nicht zu eng sehen. Marketingleute argumentierten, sie könnten den Namen Stade de Suisse europaweit besser verkaufen. Der Begriff Nationalstadion ist veraltet, erinnert entfernt an frühere DDR-Zeiten. Der neue Name wird sich im Publikum und in den Medien schnell einbürgern.
Bern erhielt den von Ihnen gebauten erfolgreichen Allegro-Komplex im Kursaal-Areal, verlor aber das Fünfsternhotel «Schweizerhof». Es folgte die Eröffnung des Klee-Museums und nun der grosse Wurf Stade de Suisse. Steht der Standort Bern national vor dem grossen Aufbruch?
Als Berner dürfen wir aufrecht und mit Selbstvertrauen hinstehen. Das Klee-Museum ist eine positive Sache. Kulturfreunde müssen nicht mehr nach Basel pilgern. Das Stadion wird für alle bernischen Amtsbezirke zum Anziehungspunkt werden, für Konzerte wie den Sport. Bern erhält eine Begegnungsstätte für alle. Diese Errungenschaft ist viel mehr wert als ein Stadion im herkömmlichen Sinn. Die Menschen werden sich begegnen, sich austauschen. Das hilft mit, Probleme des Alltags zu halbieren.
30 000 Leute täglich im Stadionbereich
In Genf umspülen gröbere Probleme das Stade de Genève. Wie viele Arenen vermag der hiesige Konsum- und Sportmarkt zu verkraften?
Ich möchte mich nicht auslassen über Genf, dort kam ein anderes Konzept zum Tragen. Wir sind angefragt worden. Die Romands wählten eine andere Lösung. In Bern nützen wir jeden Quadratmeter unter den Tribünen aus für Nebenräume, Läden, Garderoben, Fitness- oder Ärztezentrum. Wir sind die Einzigen, die nach den Gesichtspunkten der Mantelnutzung bauen, zuerst in Basel, nun in Bern. Hier werden pro Tag 30 000 Leute in den Stadionbereich strömen. Sie gehen zur Schule, sie gehen arbeiten, etwa im weltweit anerkannten Zentrum für Plasma, sie werden einkaufen oder in den während sechs Tagen geöffneten Restaurants einkehren. Die verfügbaren Wohnungen waren im Nu weg. Nach meinem Dafürhalten können hierzulande Stadien dieser Dimension nur mit Mantelnutzung erfolgreich betrieben werden. Reine Fussballarenen können sich in Europa vielleicht zwei Klubs leisten, Bayern München und Manchester United. Die Mantelnutzung haben wir vor 18 Jahren erfunden, niemand anders. Wir haben sie entwickelt, zusammen mit dem Generaldirektor Werner Müller, ohne dessen Ideen das Stade de Suisse nie entstanden wäre.
Fachleute argumentieren, in der Schweiz könnten riesige Shoppingcenter wie in Basel oder Bern nur noch in Kombination mit Sportstadien gebaut werden?
Es gibt viele Spekulationen in diesem Bereich. In Kriens haben wir ein grösseres Shoppingcenter im Bau, das 2006 eröffnet wird. Wir brauchten dort neun Jahre, um die Baubewilligung zu erhalten. Möglichkeiten, etwas Grosses zu bauen, bestehen viele. Aber nötig sind Ideen, Leistungsbereitschaft und Risikokapital. Wir investierten ins Stade de Suisse über die Jahre 15 Millionen. In Basel waren es 12 Millionen gewesen, im Wissen darum, dass vor Baubeginn eine Eingabe oder ein Abstimmungs-Nein das Ganze stoppen könnte. Oder sie verfügen über die Baubewilligung, aber nicht über die nötigen Investoren. Es braucht sehr viel Willen, Rückgrat, Kämpfertum und Durchstehvermögen. Ich sage immer das Gleiche: Ideen haben viele am Stammtisch. Aber eine Idee durchzuziehen, 15 Jahre daran zu glauben und jeden Morgen die Etappe neu zu beginnen, ist etwas anderes. Im Wankdorf hatten wir eine erste Baueingabe fixfertig, als publik wurde, dass der geplante Kinokomplex nicht gebaut werden kann. Papiere und Pläne wanderten in den Papierkorb. Gefragt waren frische Ideen, Elan und Beharrlichkeit.
Für YB ist Herzblut geflossen
Ein Risiko bedeuteten auch die Young Boys. Der Klub war lange zweitklassig, der Aufstieg gelang erst im Sommer 2001.
Beim Projektstart spielte YB in der Nationalliga B. Wir haben die alten Wankdorf-Strukturen durchgezogen, wir haben die Abwarte und das Personal über Jahre bezahlt, ein paar Bänke ersetzt und geschaut, dass der Fussballbetrieb weiter läuft. Gewisse Tribünen hatten die Behörden nicht mehr abgenommen. Ähnlich trist war die sportliche Lage. Kein Mensch wollte den Klub retten. Anfänglich halfen ein paar zugewandte Orte mit, später standen wir allein da. Wir mussten immer wieder Mittel zur Verfügung stellen, um überhaupt die Lizenz zu erhalten, selbst für den Betrieb in der B-Liga. Uns Planern war stets klar: Ein Stadion zu bauen ohne Mannschaft, hat keinen Sinn, auch gegenüber der Bevölkerung nicht. Wir haben für YB viel Herzblut eingesetzt. Werner Müller hielt sogar Ausschau nach Trainern und Spielern, damit der Klub und die erste Mannschaft einigermassen über die Runden rutschten.
Haben Sie eine Affinität zum Fussball, die über das reine Stadionprojekt hinausgeht?
Ich bin ein sportbegeisterter Mensch, meine zwei Söhne nahmen in der Star-Klasse im Segeln zweimal an Olympischen Spielen teil. In jungen Jahren stand ich ebenfalls in der Nationalmannschaft. In Langnau bin ich aufgewachsen als Eishockey-Novize. Bis 16 spielte ich mit den Lehmanns und Wüthrichs. Der Schulkollege Simon Schenk formulierte das Bonmot: «Die Schlechteren schickten wir weg, damit sie Baumeister lernen, die Besseren behielten wir bei den Tigern.» Ich sehe mich nicht als Kenner der Materie Fussball. Aber es fasziniert mich, wenn Spieler auf dem Rasen kämpfen und sich durchsetzen.
Also süsse Gefühle mit der verstärkten YB- Equipe für eine gute sportliche Zukunft?
Das möchte ich nicht beurteilen. Aber ich spüre einen Willen, Schweizer Meister zu werden. Und das ist auch meine Überzeugung: Nächstes Jahr werden wir Champion. Die Berner müssen daran glauben, diese Vorgabe muss das Ziel sein. An dieser Stelle möchte ich meine Freude über die Leistungen des FC Thun ausdrücken. Phantastisch, was die Spieler, die teilweise einem Beruf als Maler oder Gipser nachgehen, leisten.
Auch im Eishockey am Puck
Apropos Eishockey: Es zirkulieren hartnäckig Behauptungen, dass Ihre Generalunternehmung auch bei den Projekten für neue Rinks in Langnau und Zürich am Puck sei.
In Langnau haben wir den Verantwortlichen offeriert, zum Nulltarif eine Baueingabe und eine Preisofferte für ein neues Stadion zu erstellen, vielleicht ganz aus Holz. Als Emmentaler bin ich überzeugt, dass Langnau einen zentralen Bezugspunkt benötigt, einen Anreiz, um die Abwanderung der Einwohner aus den Tälern und «Chrä- chen» zu stoppen. Das Zentrum an der Ilfis braucht einen Ort der Begegnung für alle sozialen Schichten.
Und der Fall im entfernteren Zürich?
Vor Jahren wollten wir auf dem Gelände der alten Rennbahn Oerlikon ein reines Hockey-Stadion bauen. Ich bin überzeugt davon, dass der Grossraum Zürich eine solche Arena benötigt, mit dem Ziel, diesen Sport qualitativ weiterzuentwickeln. Der Raum Flughafen ist gesamtschweizerisch am besten erschlossen mit den SBB, der S-Bahn, Auto und Flugzeug. Wir haben mit Exponenten der Lions und der Kloten Flyers am runden Tisch eingehend diskutiert, in vielen Belangen Übereinstimmung erzielt und erste Skizzen gemacht. Ich möchte mich nicht gegen die Stadt Zürich wenden. Das Hallenstadion als Kombinations-Arena für Konzerte und Ausstellungen erfüllt sicher die Funktion, ist aber nicht ideal für Zweck und Kontinuität im Eishockey. Es kann doch nicht sein, dass die Lions plötzlich zwei, drei Wochen nicht zu Hause spielen können, später aber innert fünf Tagen drei Heimpartien absolvieren müssen.
Aktuell ist das Postulat in Bern für eine neue oder eine renovierte Allmend-Halle des SC Bern.
Wir haben mit der Klub-Spitze und anderen diskutiert. Im Vordergrund steht, am idealen jetzigen Standort umzubauen mit dem Hauptzweck Eishockey, einzelne Nebennutzungen (Holiday on Ice) einberechnet. Fahrbare Tribünen sind kaum nötig, zu teuer. Gesucht wird eine kompakte Lösung, welche die guten Qualitäten der bestehenden Anlage, die europaweit im Eishockey am meisten Zuschauer verzeichnet, nicht zerstört, allenfalls mit reduziertem Büro-Tower für Swiss Olympic und andere Sportverbände.
Baufachmann und Sportanhänger
zz. Der 59-jährige Bruno Marazzi führt das Familienunternehmen in der dritten Generation. Es beschäftigt in verschiedenen Departementen (Bau, Immobilien) rund 500 Angestellte. Sein Grossvater Lorenzo war 1904 aus Norditalien ins Emmental nach Langnau eingewandert. 1971 übernahm der gelernte Maurer und ausgebildete Architekt und dipl. Baumeister Bruno Marazzi die Firma zusammen mit seiner Gemahlin Elisabeth und baute sie zum Generalunternehmen von europäischem Ruf aus. Marazzi verkörpert den bodenständigen Typ. Er hält sich vorzugsweise im Hintergrund und meidet im Regelfall die Scheinwerfer der Medien. Mehr im Rampenlicht steht Marazzis erster Statthalter, Werner Müller, als kreativer Kopf und Delegierter des Verwaltungsrates. Das Erfolgsgespann Marazzi/Müller zog auch beim Bau des St.-Jakob-Parks in Basel die Fäden. Als Marazzis Innovation gilt die sogenannte Mantelnutzung im Stadionbau. Die Firma wirkt zudem erfolgreich in anderen Sparten wie dem Bau von Hotels, Shopping-Centern, Altersresidenzen oder Bürokomplexen. Der frühere Eishockey-Novize Bruno Marazzi ist ein leidenschaftlicher Segler und Golfer. Neben seiner Liaison mit dem BSC Young Boys ist er auch Mitglied im exklusiven Gönnerklub «25» des SC Bern und unterstützt im Eishockey zudem die Langnauer Tiger.