Straftat oder Fankult? Bengalofeuer der Bayern-Fans beim Champions-League-Finale 2001 in Mailand
München - "Wird sich die neue Kundschaft etwa betrogen fühlen, wenn sie merkt, dass man für ihre neuen Plätze bei der Show die Hauptattraktion geopfert hat?" Nick Hornby ist ein schlauer Mann.
Obige Frage ist mehr als zehn Jahren alt. Gestellt in Hornbys Bestseller "Fever Pitch". Und aktueller denn je. Denn Ähnliches schießt momentan wohl auch so manchem Bayern-Fan durch den Kopf.
"Der FC Bayern München schließt... zwei offizielle Fanklubs, sowie eine inoffizielle Fangruppierung mit insgesamt ca. 200 Personen aus dem Kreis der Fanklubs aus. Hierbei handelt es sich um die Fanklubs Red Sharks, Club Nr. 12, sowie die Ultra-Fangruppierung Schickeria München. Wir schließen diese Gruppierungen aus dem offiziellen Fanklub-Verzeichnis des FC Bayern aus und vergeben an diese Personen keine Jahreskarten mehr".
Schwere Vorwürfe gegen FCB
So weit die offizielle Presseerklärung des FCB in Übereinstimmung mit dem Polizeipräsidium München. So weit die traurigen Tatsachen. Zumindest für die Betroffenen.
Andreas Thomas geht seit 15 Jahren mit den Bayern auf Reisen. Jetzt ist er verbittert. "Alles vorgeschobene Argumente. Fadenscheinig und haltlos", ist sich der 35-Jährige sicher.
"Die AG will keine Eigenständigkeit ihrer Fanklubs. Die AG will alles kontrollieren, alle Fäden selbst in der Hand haben. Der Ausschluss der Fanklubs ist ein Schlag ins Gesicht für die Treuesten der Treuen. Dem Fan wird ins Gesicht gespuckt!"
Fans wenden sich ab
Die FC Bayern München AG steht bei den eigenen Fans heftig in der Kritik. Die fühlen sich nämlich verschaukelt von ihrem Verein. Vorsichtig ausgedrückt. Von den Leuten verraten, denen sie seit Jahren und Jahrzehnten alles opfern. Geld, Freizeit, Partner, Freunde, Job.
"Wir fahren überall hin. Freundschaftssiel in New York? Wir sind dabei. Champions League in Trondheim? Oder die Quali in der "Hölle" von Belgrad. Kein Problem. Unter der Woche, einfach so. Und jetzt so was..."
Thomas spricht nur noch von der "AG". Früher hieß das mal "meine Bayern". "Aber mit dem FCB in seiner jetzigen Form und dessen Methoden will ich nichts zu tun haben." Wie der 35-Jährige denken auch die meisten anderen der "Schwarzen Liste".
Uneingeschränkte Solidarität
Grund für das strikte Vorgehen des Klubs sei unter anderem "mehrmaliges vereinsschädigendes Verhalten, mehrfache Sachbeschädigung (unter anderem gegen den eigenen Mannschaftsbus), massive Drohungen gegen andere Fanklubs und Verantwortliche des FC Bayern", wie es in der Erklärung weiter heißt.
Schon seit ca. drei Wochen wechseln sich bitterböse Mails in den Gästebüchern und Foren der Fanklubs mit Beistandsbekundungen und uneingeschränkter Solidarität ab.
Fanklubs bestreiten Vorwürfe
Zuletzt seien die "Red Sharks", der "Club Nr. 12" und die Ultra-Fangruppierung "Schickeria München" bei einer Sitzblockade am Rande der Meisterfeier 2003 dafür verantwortlich gewesen, dass der geplante Autocorso der Mannschaft zum Marienplatz nicht wie angekündigt über die Leopold- und Ludwigstraße fahren konnte.
Jeder der drei aufgeführten Fanklubs bestreitet dies vehement. Dazu Herr Reichel vom Polizeipräsidium München: "Die Kollegen haben an jenem 17. Mai Unterstützung geholt, um die Straße freizubekommen, aber dies war offensichtlich nicht machbar. So hat sich die Polizeiführung dann entschieden, den Corso umzuleiten."
"Red Sharks" schalten Anwalt ein
Das sehen die Fans anders: "Fakt ist, dass der Autocorso gar nicht in Reichweite war. Es hat geregnet und die Route wurde umgeleitet, weil sonst die Cabrios nass innen geworden wären", so ein Mitglied des Fanklubs "Red Sharks".
Die "Red Sharks" kündigten am Freitag an, nun per Anwalt gegen "diese Verleumdungen" anzugehen.
Der FC Bayern habe den Fanklub mehrmals im Vorfeld des Ausschlusses verwarnt, hieß es weiter. "In Wirklichkeit ist von Seiten des FC Bayern kein einziges Telefonat, keine E-Mail und kein Brief bei uns dieses Thema betreffend eingegangen."
"Darüber kann ich nur lachen"
Es steht Aussage gegen Aussage. Wie auch in punkto Sachbeschädigung. "Mit Gewalttätern wollen wir nichts zu tun haben", so Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick in der "AZ".
Nochmal das Red-Sharks-Mitglied: "Wir hätten den Mannschaftsbus beschädigt? Da kann ich nur drüber lachen. Diesen Bus hab' ich noch nie in meinem Leben berührt. Und auch die anderen aus unserem Fanklub nicht. Außerdem wüsste ich auch nicht von den anderen Beschuldigten, dies jemals gemacht zu haben. Tatsächlich ist schlicht und einfach alles an den Haaren herbei gezogen. Völliger Schwachsinn!"
Auch DFB im Schussfeld
Die Fanszene brodelt. Foren und Gästebücher explodieren förmlich. Die Stimmung hat deutlich umgeschlagen. Gegen die Bayern.
Doch neben den Herren von der Säbenerstrasse 51 richtet sich der Proteststurm noch gegen ein zweites Ziel, das da heißt: Deutscher Fußball Bund.
"Der DFB will zur WM 2006 "saubere" Stadien. Schlipsträger und Kunden sind gern gesehene Gäste. Fans, die für Stimmung sorgen, sind verpönt. Die will man nicht mehr haben", so Thomas.
Nur der Anfang?
Sollten sich die schlimmsten Befürchtungen der Fans bewahrheiten, dann wird der FC Bayern seiner Rolle als Vorreiter einmal mehr gerecht. Denn für viele ist dies nur ein erster Anfang. Andere Vereine würden sich dem Vorbild der Münchner anschließen.
Und spätestens seit der angekündigten Klage gegen die FC Bayern München AG scheint ein Krieg entbrannt zwischen den Fans und ihrem ehemals heißgeliebten Verein.
Übrigens war der Fanbeauftragter Raimund Aumann für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Und unter der Nummer der Bayern-Zentrale war lediglich das Vereinslied "FC Bayern, Stern des Südens" zu hören...





