VCS will Stadion-Gesuch sistieren
http://www.a-z.ch/news/dossier/vcs-will ... en-2287849
Die VCS-Sektion Aargau befürchtet, beim geplanten FC-Aarau-Stadion werde der Missachtung von Umweltrecht Tür und Tor geöffnet. Einsprachen sollen dies verhindern.
Thomas Röthlin
Man prüfe die Gesuchsunterlagen genau, sagte VCS-Aargau-Geschäftsführer Micha Siegrist im Juni. Bis letzten Freitag lagen die neuen Zonenbestimmungen für die Aarauer Industriebrache Torfeld Süd und das Baugesuch für das Kernstück, ein neues FCA-Stadion, öffentlich auf.
Die Prüfung habe eine «Reihe von substanziellen Mängeln» aufgedeckt, sagt Siegrist jetzt auf Anfrage. Der VCS verlangt deshalb mittels Einsprachen «flankierende Massnahmen, dank denen das Projekt umwelt- und verkehrsverträglicher gestaltet werden kann».
Zu grosse Verkaufsfläche
Erstens stört den VCS der Umfang der Verkaufsflächen im Einkaufszentrum, das unter dem Stadion geplant ist. Dass die so genannten Verkehrsflächen, die auch von Nutzern der ebenfalls im Stadionkomplex untergebrachten Freizeiteinrichtungen betreten werden, nur zur Hälfte angerechnet würden, verstosse gegen kantonales Recht.
So könne effektiv mehr Verkaufsfläche gebaut werden als vom Souverän genehmigt. Aarau bewilligte 2008 in einer Volksabstimmung 17 Mio. Franken als städtischen Anteil ans Stadion. Ein früheres Projekt war in erster Linie an einem viel grösseren Einkaufszentrum (16 000 statt 10 000 Quadratmeter) gescheitert. Unklar sei laut VCS zudem, ob die rund 2500 Quadratmeter unter dem Stadionvordach ebenfalls für Verkaufsstände genutzt werden könnten. Die Unterlagen seien diesbezüglich widersprüchlich.
Parkplatzgebühr für alle
Zweitens fielen dem VCS «Ungereimtheiten» bei den Parkplätzen auf. Die Gebühren müssten auf Kunden sämtlicher Geschäfte und Besucher der Freizeitanlagen ausgedehnt werden, wobei dem VCS «gemäss Bundesgerichtspraxis ab der ersten Minute mindestens Fr. 2.00 pro angebrochene Stunde» vorschweben.
Zudem sollten die Parkplatzgebühren erhöht werden, wenn das berechnete Verkehrsaufkommen von 7700 Fahrten pro Tag überschritten wird. Und die 100 Stadion-Parkplätze - für Funktionäre, Spieler und VIP reserviert - dürften «keinesfalls für stadionfremde Nutzungen freigegeben» werden, wenn also gerade nicht Fussball gespielt wird.
Bei der Parkplatzberechnung werde von einem zu hohen Anteil kundenintensiver Nutzung an der gesamten Verkaufsfläche ausgegangen; bis zu 7000 von 10 000 Quadratmetern könnten auch nichttäglichen Einkauf abgedecken.
Für das Einkaufszentrum seien je nach Ladenmix deshalb allenfalls nur 123 Parkplätze nötig, nicht wie im Verkehrsgutachten berechnet 216. Für 182 zusätzliche Parkplätze schliesslich fehlten die Berechnungsgrundlagen.
Erschliessung zu unverbindlich
Drittens verlangt der Umweltverband, die neue Bahnhaltestelle Torfeld, die Taktverdichtung zweier Buslinien und die Fussgänger- und Veloerschliessung müssten «bei der Inbetriebnahme des Einkaufszentrums realisiert sein». Die vorgesehenen Formulierungen seien diesbezüglich zu wenig verbindlich.
Damit verbunden ortet der VCS ein formelles Problem: Das Baugesuch stütze sich auf eine Nutzungsplanung, die sich noch verändern könne, weil sie zeitgleich öffentlich aufgelegen sei. Die Einsprachen richten sich sowohl gegen die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) und den Gestaltungsplan mit Sondernutzungsvorschriften (SNV) als auch gegen das Baugesuch. Letzteres sei deshalb zumindest zu sistieren, «bis BNO-Ergänzung und SNV rechtskräftig sind».
«Projekt nicht verhindern»
Der VCS wolle das Projekt nicht verhindern, sagt Micha Siegrist. Der Teufel stecke angesichts der komplexen Verflechtung von planungs- und baurechtlichen Vorhaben im Detail. Die Rechtsbegehren des Verbandes erstrecken sich deshalb über Dutzende Anträge. Die Erfahrung lehre, «dass gerade bei umweltrelevanten Auflagen für eine publikumsintensive Anlage jede Hintertür ausgenützt wird, die eine Baubewilligung offen- lässt».
Insgesamt 38 Beschwerden eingereicht
Bis zum 10. Juli sind im Aarauer Rathaus die baurechtlichen Grundlagen und das Baugesuch für das neue Fussballstadion im Torfeld Süd öffentlich aufgelegen. Gemäss Stadtammann Marcel Guignard sind innerhalb der gesetzten Frist 38 Beschwerden eingereicht worden. Von denen betreffen
10 die Änderung der Bau- und Nutzungsordnung im fraglichen Gebiet, weitere 10 zielen auf den Gestaltungsplan und die Sondernutzungsvorschriften ab. Die restlichen 18 Beschwerden richten sich gegen das Baugesuch für die neue FCA-Arena, das Kernstück einer ersten Etappe in der Neugestaltung der heutigen Industriebrache. Ins Visier genommen worden sind auch der Umweltverträglichkeitsbericht und die Parkierung bei grösseren Veranstaltungen.
Der Stadtrat wird nach den Sommerferien die Verhandlungen mit den Einsprecherinnen und Einsprechern aufnehmen. Über einen Zeitplan für die Weiterbehandlung des Dossiers Torfeld Süd kann der Stadtammann zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen. Ob der Aarauer Einwohnerrat das Geschäft noch in diesem Jahr behandeln kann, scheint fraglich.
Das Stadionprojekt und die Gestaltung eines neuen Stadtquartiers im Torfeld Süd ist von Anfang an und namentlich in linksgrünen Kreisen auf heftige Kritik gestossen. Das Aarauer Stimmvolk hat allerdings in zwei denkwürdigen Urnengängen dem Vorhaben grundsätzlich zugestimmt.
Am 21. Oktober 2007 ging der Projektierungskredit über 1,6 Millionen Franken mit 4463 Ja gegen 2185 Nein schlank durch, am 24. Februar 2008 gefolgt vom ebenso deutlichen Ja zu jenen 17 Millionen Franken, die die Einwohnergemeinde Aarau an das neue Fussballstadion leisten will.
Bereits das Mitwirkungsverfahren zur Gebietsplanung Torfeld Süd Anfang 2009 hat ein ähnliches Echo ausgelöst. Damals gingen 34 Eingaben mit knapp 200 formulierten Anträgen ein, die zum Teil in den definitiven Vorschlag für den Gestaltungsplan und das Stadion eingeflossen sind. (hr)