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von Sparwasser » 30. Jan 2011, 18:32
Herzlichen Glückwunsch, deutsche Baufirmen! Nicht schlecht, arabische Tourismusverbände! Alle Achtung, Scheich Hamad ibn Chalifa Al Thani! Und unseren aufrichtigen Respekt, Sepp Blatter! Für Sie alle war der 3. Dezember 2010 ein unvergesslicher Tag, jener Freitag, als das Exekutivkomitee des Weltverbandes FIFA den Wüstenstaat Katar zum Austragungsort der WM 2022 kürte.
Für alle anderen war es hingegen ein deprimierender, pechschwarzer Freitag. Zeigte die Wahl doch, wie hohl und nichtig das feierliche Gerede der FIFA-Granden von der WM als „grosses Fest der Völker“ ist – Hauptsache, es wird ein einträgliches Geschäft, ganz allgemein und vor allem natürlich für die FIFA-Funktionäre. Jeder, der irrigerweise annahm, es sei ein Mindestmass an Fussballkultur, an Liebe der Bevölkerung zum runden Leder, an Geschichte und Tradition die Voraussetzung, um eine Fussballweltmeisterschaft ausrichten zu dürfen, der stand nach der kaltschnäuzigen Vergabe als hoffnungsloser Romantiker da. So wie einer, der im Zeitalter der E-Mails trotzig seine Post noch per Eilboten schickt. Fest steht nun: Eine modernen Fussball-WM braucht keine einheimischen Fussballfans, die Stadien werden ja schon durch die Touristen von ausserhalb voll. Sie braut schon gar kein transparentes Vergabeverfahren, in Hinterzimmern lässt es sich viel angenehmer verhandeln. Sie braucht keine gewachsene Fussballkultur, Folklore lässt sich inszenieren. Sie braucht nicht einmal Stadien, man baut sich einfach für vier Wochen welche, montiert sie hinterher wieder ab und verschifft sie mit grosser Geste in Entwicklungsländer. Sie braucht nur eine grosszügige Rendite. Und dabei haben wir noch nicht einmal davon gesprochen, dass das Austragungsemirat Katar als absolute Monarchie von demokratischen Strukturen wenig bis gar nichts hält.
Dass homosexuelle Fans in Katar mit Peitschenhieben und Gefängnis bestraft werden können, was Sepp Blatter zu der ziemlich lustigen Aufforderung veranlasste, dann eben für vier Wochen das Schwulsein zu unterlassen. Dass Katar dennoch wohl nie eine WM hätte ausrichten dürfen, wenn der Emir des Landes dem FIFA-Boss bei seinen Wahlkampagnen 1998 und 2002 nicht finanziell unter die Arme gegriffen hätte und sich Blatter nun revanchieren musste. Dass im Hochsommer auf der persischen Halbinsel unerträgliche Temperaturen herrschen. Und dass uns deshalb womöglich die erste WM im Winter mit Publik Viewing unter Heizdecken und mit Finale unter dem Weihnachtsbaum droht.
Also noch einmal: Respekt und Anerkennung für Scheich, Sepp, deutsche Firmen! Katar dennoch die WM zuzuschustern, das muss man sich erst einmal trauen.
Quelle: 11 Freunde
"Some people believe football is a matter of life and death.
I'm very disappointed with that attitude.
I can assure you it is much, much more important than that."
(Bill Shankly)