Der FC Luzern will auf den Pilatus steigen, bleibt aber im Konflikt mit Bernhard Alpstaeg hängen
Artikel von Peter B. Birrer
Im FC Luzern liegt die Metapher mit dem Hausberg Pilatus nahe. Die Verantwortlichen fragen: «Kommen wir bis zum Pilatus hoch?» Sie wollen die Zentralschweizer Institution seit Jahren zum Gedeihen bringen und fühlen sich dabei, als würden sie den Anstieg vergeblich in Angriff nehmen. Der Pilatus ist nahe – und doch weit weg. Also bemühen sie den chinesischen Philosophen Konfuzius: «Der Weg ist das Ziel.»
Obschon in der letzten Saison vor allem dank dem Wechsel des Spielers Ardon Jashari nach Belgien ein Transfer-Ertrag von netto über 5,5 Millionen Franken resultierte, beträgt der konsolidierte Verlust 2,5 Millionen. Das ist viel. Zu viel in Anbetracht des Transfergewinns. Und das verstärkt das Ansinnen, dass «wir Kosten herausnehmen müssen», wie sich der Aktionär und interimistische Klubpräsident Josef Bieri ausdrückt. Abgespeckt wird auch auf der Geschäftsstelle.
Luzern verliert mit Stefan Wolf einen Botschafter
Der langjährige Finanzchef ist nach acht Jahren und einer Krankschreibung weg, der Kommunikationschef nach über sieben Jahren ebenso. Auch Stefan Wolf, das Gesicht des Klubs, der in den letzten Jahren Präsident und CEO war, tritt zurück, weil er sich mit dem eingeschlagenen Weg nicht anfreunden kann. Betroffene mussten auf ihre Gesundheit achten und einen Schlussstrich ziehen. Der Weg von Luzern auf den Pilatus ist steil. 1700 Höhenmeter. Nicht alle wandern weiter.
Luzern hat den FC St. Gallen vor Augen, das Projekt «Volksklub» des Präsidenten Matthias Hüppi, die breite Abstützung, die lokale Verankerung. Die Ostschweizer schrieben zuletzt eine schwarze Null. Sie hatten einen Bruttoertrag von 40 Millionen (Luzern: 28,5), im Schnitt 17 700 Personen im Stadion (12 800), holen aus dem Sponsoring- und VIP-Bereich sowie aus dem Merchandising über 15 Millionen heraus (9) und hatten vor allem dank dem Abgang von Leonidas Stergiou nach Stuttgart einen Transfer-Nettoerlös von etwas mehr als 4 Millionen.
In Luzern reiben sich manche am Vorhaben, wie das Stadion besser gefüllt werden kann. In St. Gallen sind die Logen fast zum Selbstläufer geworden, dort sind das Stadion und die Masse grösser, der nächste Konkurrent ist 50 Kilometer Luftlinie entfernt der überschaubare FC Winterthur. In Luzern ist es der EV Zug (20 Kilometer, Eishockey). Auf die Geschäftsmodelle der Super League bezogen, gehört Luzern zu St. Gallen.
YB lebt von der Champions League, Basel von exzessiven Transfers. Lugano, GC und Yverdon von Amerikanern, der FC Sion von Constantin, der Servette FC von einer Stiftung, Lausanne von einem britischen Konzern, der FC Zürich von der Familie Canepa. Winterthur kommt in der Nische über die Runden und wird vom Volk getragen – wie St. Gallen und Luzern, die wenig Mäzenatentum haben. Eigentlich ist St. Gallen neben YB der einzige wirtschaftlich gesunde Klub der Liga.
Luzern wird den Fall Alpstaeg nicht los
Doch Luzern hat ein eigenes Problemfeld, eines, das den Klub seit zwei Jahren überschattet. Eines, das auf Neuankömmlinge abschreckend wirken kann. Eines, das zehrt und vermutlich letztlich dafür verantwortlich ist, dass der Klub strampelt und mittlerweile jeden Franken zweimal umdrehen muss. Der Konflikt mit dem Aktionär und schwerreichen Swisspor-Patron Bernhard Alpstaeg dauert an. Noch immer steht im Raum, dass sich die zwei Parteien 2025 in einem öffentlichen Prozess sehen werden.
Es geht um einen strafrechtlichen Teil, um Nötigung und um den Versuch von ungetreuer Geschäftsführung, die Alpstaeg vorgeworfen werden. Und um einen zivilrechtlichen Teil, um die 25 Prozent Aktien, die Alpstaeg 2022 weggenommen wurden. Diverse einflussreiche Personen haben in den letzten Monaten zu vermitteln versucht. Offenbar alle, die in der Stadt Rang und Namen haben. Bis jetzt vergeblich. Alpstaeg bleibt draussen, lenkt nicht ein. Wenn zehn Aktionäre wie letzten Winter für nachrangige Darlehen im Umfang von 5 Millionen aufkommen, bleibt Alpstaeg abseits.
Dank Alpstaeg frohlocken Juristen
Beide Seiten sind indessen weder auf den Kopf gefallen noch masochistisch veranlagt, hier wie da wird die Wahrscheinlichkeit einer aussergerichtlichen Einigung mit 50 Prozent beziffert. Das ist nicht wenig. Aber der Fall Alpstaeg ist kompliziert, ein erbitterter Männerstreit, der mit Klagen und Gegenklagen geführt wird.
Der Fall Alpstaeg macht Anwaltskanzleien und Kommunikationsagenturen glücklich. Je länger er dauert, desto mehr Geld springt für sie heraus. Wie in einer Kampfscheidung im üppig begüterten Bevölkerungssegment.
Ein früherer Aktionär des Klubs sagt, dass Alpstaeg die Chefetage des Klubs schlichtweg austrocknen wolle. Alpstaeg hat viel Geld und gibt dies Anwesenden wiederholt zu verstehen. Als Besitzer des Stadions stellt Alpstaeg derzeit offenbar höhere Mietpreise für den Klub in den Raum. Ein früherer Luzerner Verwaltungsrat spricht von einem «toxischen Hintergrund».
Letztlich sind die Verluste des Klubs nicht vom Fall Alpstaeg zu trennen. Er absorbiert viel. Er ist Belastung, ökonomisch, emotional. Doch Josef Bieri, der von den Aktionären den Hauptteil trägt, sagt: «Das darf kein Alibi und keine Entschuldigung sein.» Hat der FC Luzern noch ausreichend Atem? «Ja, den haben wir», sagt Bieri.
Der Weg des Klubs als einsamer Schweizer Meister in der Nachwuchsförderung wird kompromisslos weitergeführt. Dieser einzigartige Weg soll von Begeisterung getragen werden, da will man sich nicht aufhalten lassen. Junge, eigene Spieler, mutig voran. So etwas lebe in Europa sonst nur Athletic Bilbao vor, sagt man im Klub.
Simon Laager trat die Stelle bei YB nicht an
Für die Neuausrichtung wurde als CEO Simon Laager verpflichtet, der in den letzten Jahren in gleicher Funktion für die SCL Tigers tätig gewesen war und dort gute Noten erhalten hatte. Das Evaluationsverfahren habe gezeigt, dass der FC Luzern unvermindert eine starke Marke sei, sagt Bieri. Laager hätte im letzten Sommer Leiter Verkauf bei den Young Boys werden sollen. Der Vertrag war bereits unterschrieben, doch als sich die Berner abrupt vom CEO Wanja Greuel trennten, kappten sie auch die Verbindung zum Greuel-Vertrauten Laager. Dieser trat die Stelle in Bern nie an.
Was Laager in Luzern zu bewegen imstande sein wird, steht und fällt wohl mit dem Alpstaeg-Trauma. Auch andere Super-League-Klubs haben und hatten ihre Turbulenzen: St. Gallen am Ende der Ära des Klubchefs Dölf Früh 2017, als eine Gruppe das Vakuum auszunutzen versuchte. Basel im lauten Übergang von Bernhard Burgener zu David Degen 2021, YB im Sommer 2024 mit dem CEO-Knall, der FC Zürich mit unzähligen Personalwechseln 2023/24, GC immer wieder. Besitzerwechsel hier wie dort.
Aber nirgends dauerte die Zeit des Machtkampfs, der Unwägbarkeit und des Zweifels zwei Jahre an. Das ist die über allem liegende Luzerner Last auf dem Weg hoch zum Pilatus.