ganz interessanter artikel:13. Januar 2006, Neue Zürcher Zeitung
Das Weggis-Projekt
Weshalb Ronaldinho & Co. an den Vierwaldstättersee fahren
Das Handy von Philippe Huber klingelt pausenlos. Der schwedische Fussballverband sucht beim Schweizer Sport-Vermarkter für den 1. März einen Testgegner aus Südafrika. Natürlich nicht Paraguay; auf dieses Team stossen die Skandinavier an der Weltmeisterschaft. Huber wird sich darum kümmern. Wenig später ein Anruf vom FC Liverpool: Einer der Stars will weg. Huber verspricht, eine Lösung zu finden. Schon bald wird er fündig - Fenerbahce zeigt ein vages Interesse. Dann rufen wieder die Schweden an. Sie möchten die Spezifikationen zu der von der Kentarogroup eingereichten Offerte. Huber ist Mitbegründer dieser Gruppe, und es geht um die TV- Vermarktungsrechte sämtlicher schwedischer Klubteams sowie der Nationalmannschaft. Auch einer der zurzeit erfolgreichsten Klubs Europas meldet sich. Er will Ende Juli, Anfang August ein Trainingslager in der Schweiz durchführen. Alles kein Problem, sagt Huber, er werde bald Vorschläge unterbreiten.
800 Bewerbungen
Hubers Firma, der die Agenturen Attaro, Kentaro sowie Sportart (unter der Leitung von Martin Blaser) angehören, floriert offensichtlich. Einer der letzten, vor allem für die Zentralschweiz bedeutsamsten Coups war die Unterbringung der Brasilianer in Weggis. Vom 22. Mai bis zum 4. Juni bereiten sich die umschwärmten Fussballstars am Vierwaldstättersee auf die WM vor. Schon jetzt steht fest: Es wird ein Hype, wie ihn die Gegend noch nie erlebt hat. Die Brasilianer hatten rund 800 Bewerbungen von potenziellen Ausrichtern für ein solches Lager erhalten. Etwa 40 kamen in die engere Wahl, und am Schluss hatte Huber die Nase vorn. Warum? Der Geschäftsmann sagt, er sei mittlerweile 18 Jahre in diesem Business tätig und er wisse genau, auf welche Punkte ein Verband Wert lege. Die Wahl des Hotels sei dabei nur ein relativ kleines Puzzleteil in einer langen Liste von Anforderungen. Für den amtierenden Weltmeister sei beispielsweise die Detailpflege von enormer Wichtigkeit.
Diesbezüglich zu bewähren hatte sich die Kentarogroup, die inzwischen auch in der Musikbranche sowie im Box-Geschäft mitmischt, in einem Testmatch Kroatien gegen Brasilien. Von der Ankunft der Südamerikaner in Split bis zum Wegflug lief alles mit generalstabsmässig geplanter Genauigkeit ab, was entsprechend Eindruck machte - und Huber mit seiner Bewerbung für die Gestaltung der WM-Vorbereitungsphase in eine bevorzugte Position brachte. Für das Projekt «Weggis» wurde erneut alles vorgekehrt, um die Brasilianer zu überzeugen. Beispielsweise wollten diese zum Trainingsplatz nicht länger als eine Viertelstunde im Bus unterwegs sein. Huber fuhr deshalb im Vorfeld die Strecken zu den umliegenden Rasenfeldern mit dem Auto und der Stoppuhr in der Hand im Bustempo (80 km/h) ab. Er sagt: «Es sind solche Kleinigkeiten, die von entscheidender Bedeutung sein können.»
Inzwischen hat sich die Distanzfrage erledigt. Weggis baut den eigenen Sportplatz, der nur vier, fünf Minuten vom Hotel entfernt liegt, zu einem schmucken Kleinstadion mit rund 5000 Plätzen um. Finanziert wird das Ganze weitgehend von Domenic Steiner, dem Inhaber der Firma Thermoplan. Diese baut Kaffeemaschinen und beliefert vor allem die Starbucks-Kette, die - so wird behauptet - weltweit jeden Tag fünf neue Filialen eröffnet. Steiner will eigens für den Aufenthalt der berühmten Gäste eine kleine Rösterei für Brasil-Kaffee einweihen. Die Stars sollten sich wie zu Hause fühlen, schmunzelt er. Staunen muss man über die Flexibilität der Gemeinde. In der Regel ist es hierzulande Usus, dass selbst kleinste Bauvorhaben zu einem mühsamen Gang durch die Ämter werden können - von den Einsprachen und anderen Stolpersteinen ganz zu schweigen. In Weggis wurde das Projekt innert weniger Tage durchgeboxt.
Zwei Spiele in der Schweiz
Natürlich geht es im Deal mit der Seleção vor allem um Geld. Da ist einmal das Faktum, dass die Delegation im Park-Hotel gratis logiert. Getragen wird der Einnahmeverlust (rund eine halbe Million Franken) unter anderem durch regionale Tourismusverbände, weshalb für das nationale und internationale Marketing die Bezeichnung «Luzern-Weggis» eingeführt wurde. Kentarogroup wiederum musste weit über eine Million Franken an den brasilianischen Verband überweisen. Huber erhielt im Gegenzug die Erlaubnis, zwei Partien mit brasilianischer Beteiligung auszurichten und die Einkünfte aus der Vergabe der TV-Rechte sowie dem Ticketverkauf zu behalten. Die Wahl des ersten Kontrahenten (gespielt wird wohl in Basel gegen ein Schweizer Team) ist noch nicht entschieden. Der zweite Match dürfte in Genf stattfinden, und zwar gegen einen hierzulande mittlerweile recht bekannten Widersacher. Auf die Tricks und Finten sowie die sicht- und spürbare Spielfreude von Ronaldinho & Co. darf man sich freuen.
Rolf Wesbonk
wenn ich das richtig interpretiere, wird es in genf zu einem spiel schweiz-brasilien kommen!
